Pferdespiele galten lange als eine kleine, fast belächelte Nische: bunte Verpackungen, mädchenhafte Titel, billige Umsetzungen – oft schnell produziert, selten hochwertig. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute ist das Genre vielfältig, ambitioniert – und heiß umkämpft.
Zwischen detailverliebten Indie-Produktionen, realistischen AAA-Titeln und charmanten Lebenssimulationen hat sich eine neue Landschaft gebildet. Und diese richtet sich längst nicht mehr nur an Kinder. Wer heute ein gutes Pferdespiel sucht, will keine pinke Ponywelt – sondern Tiefe, Atmosphäre und echte Verbindung zum Tier.
Die folgende Analyse zeigt, wie sich das Genre verändert hat – und welche Spiele den besten Ritt versprechen.
Die Champions des Genres – Die besten Pferdespiele im Detail
Star Stable Online: MMO-Gigant mit Stolpersteinen
Star Stable Online ist das bekannteste und am weitesten verbreitete Pferde-MMORPG der Welt. Seit 2011 wächst die Welt von Jorvik stetig weiter – mit Quests, Pferderassen, Events und einer riesigen Community. Doch hinter dem Erfolg steckt auch Frust: Spieler kritisieren monotone Aufgaben, ein teures Monetarisierungssystem und eine veraltete Technik.
Wer Star Stable liebt, liebt die Gemeinschaft, die stetige Erweiterung und die Möglichkeit, fast jede Woche ein neues Pferd zu reiten. Aber wer spielerische Tiefe sucht, stößt schnell an Grenzen.
Ideal für: Jüngere Spieler und MMO-Fans mit Lust auf eine bunte Welt voller Pferde – und einem Faible für Cosmetics.
Red Dead Redemption 2: Das beste Pferdespiel, das keins sein will
Red Dead Redemption 2 ist kein Pferdespiel – aber es hat die besten Pferde. Kein Spiel simuliert Bindung, Pflege und Verhalten der Tiere realistischer. Reiten fühlt sich in RDR2 nicht wie Fortbewegung an, sondern wie Beziehung. Striegeln, Füttern, Beruhigen – alles hat Konsequenzen. Jedes Pferd hat Persönlichkeit.
Das Problem: Das Spiel ist ein Western-Epos mit viel Gewalt. Für viele Pferdeliebhaber passt das nicht. Doch wer damit leben kann, erlebt den Benchmark des Genres.
Ideal für: Realismus-Fans mit hoher Toleranz gegenüber Action-Gameplay – oder Modder, die sich ihre eigene Pferdewelt bauen.
Während Red Dead Redemption 2 technisch überzeugt, gibt es auch andere Open-World-Spiele, die großen Wert auf Erkundung und Freiheit legen – wenn auch ohne Fokus auf Pferde. Für Spieler, die eine weitläufige Welt suchen, in der sie sich verlieren können, lohnt sich ein Blick auf unsere Auswahl der besten Open-World-Spiele.
Die Sims 4: Pferderanch – Leben, lieben, longieren
Mit der Erweiterung Pferderanch kehrte das Pferd zurück ins Sims-Universum. Und diesmal integriert sich der Stall harmonisch in das große Ganze: Spieler verwalten nicht nur ihre Pferde, sondern das ganze Ranchleben – vom Zaun bis zur Party, vom Nektarverkauf bis zur Pferdezucht.
Trotz technischer Schwächen (Bugs, „Rabbit Holes“) überzeugt die Erweiterung vor allem durch Custom Content und kreative Freiheit. Wer bauen, gestalten und fantasieren will, ist hier genau richtig.
Ideal für: Kreative Ranch-Fans, die mehr als nur reiten wollen – und denen Mods eine Welt voller Möglichkeiten eröffnen.
The Ranch of Rivershine: Charmant, cozy, clever
Was passiert, wenn eine Solo-Entwicklerin ein Pferdespiel nach ihren eigenen Vorstellungen entwickelt? Etwas ganz Besonderes: The Ranch of Rivershine ist ein entspanntes, liebevoll gestaltetes Aufbauspiel rund ums Reiten, Züchten und Trainieren. Es kombiniert eine charmante Optik mit einem motivierenden Gameplay-Loop.
Trotz kleiner Schwächen – etwa beim Abwechslungsreichtum – begeistert es durch Atmosphäre und eine aktive Community.
Ideal für: Spieler:innen, die sich nach einem cozy, entschleunigten Pferde-Alltag sehnen.
Rival Stars Horse Racing: Rennsport trifft Management
PikPoks Rival Stars ist das wohl beste Pferderennspiel auf dem Markt – zumindest, wenn man die Desktop-Version spielt. Hier dreht sich alles um Zucht, Training, Rennen und Hofmanagement. Die Animationen sind flüssig, die Rennen spannend – und Mikrotransaktionen, wie man sie von der mobilen Version kennt, sind abgeschwächt.
Schade nur, dass der PC-Port inhaltlich oft hinterherhinkt.
Ideal für: Spieler:innen mit Interesse an Pferderennen, Zucht und Strategie – und einer gewissen Geduld beim Warten auf Updates.
Die Ostwind-Reihe & Horse Club Adventures: Geschichten zum Reiten
Diese beiden Serien richten sich klar an jüngere Spieler – und das ist okay. Wer keine Open-World-Rollenspiele erwartet, sondern ein liebevoll inszeniertes Abenteuer erleben möchte, wird hier fündig.
Ostwind: Ari’s Ankunft und die Horse Club-Spiele bieten Story, Quests und kindgerechtes Gameplay rund ums Reiten und Pflegen. Technisch ist das alles eher einfach, aber atmosphärisch oft sehr gelungen.
Ideal für: Jüngere Reiterinnen und Fans der bekannten Marken.
Howrse: Genetik statt Galopp
Howrse ist anders: keine 3D-Welt, kein aktives Reiten – dafür Strategie pur. Seit 2005 züchten, trainieren und managen Spieler hier virtuell ihre Traumpferde. Die Spieltiefe liegt im genetischen System, in Wettbewerben, Ressourcenverwaltung und Community-Events.
Wer Zahlen mag statt Action, findet hier eine der komplexesten Pferde-Simulationen überhaupt.
Ideal für: Strategen, Zucht-Fans und Spieler, die Management mehr lieben als Bewegung.
Spezialisierte Subgenres & aufstrebende Titel
Das Pferdespiel-Genre endet nicht bei Star Stable oder Rivershine. In den letzten Jahren haben sich spannende Subgenres und Projekte entwickelt, die teils neue Wege gehen – oder alte Klassiker neu beleben.
Reine Rennspiele: Galopp statt Gameplay-Grind
Wer einfach nur Rennen reiten will, findet in Alicia Online eine ungewöhnliche Nische: Das ehemalige koreanische MMO wurde von Fans reaktiviert und bietet fantasievolle Rennstrecken mit Flugpassagen und Spezialattacken. Es ist keine realistische Simulation – aber ein spaßiger Arcade-Ausflug mit Online-Komponente.
Auch historische Titel wie Gallop Racer oder Horse Racing Manager hatten ihren Moment – sind heute aber schwer auffindbar und technisch überholt.
Indie-Projekte im Aufbruch: Hoffnungsträger im Early Access
Die Zukunft des Genres wird derzeit von kleinen Teams gestaltet. Viele ambitionierte Spiele befinden sich im Early Access oder in Entwicklung – getragen von einer Community, die echte Fortschritte sehen will.
Zu den vielversprechendsten Titeln zählen:
- Unbridled: That Horse Game – Realistische Reitphysik, große Freiheit, emotionales Storytelling
- Astride – Von Spielern für Spieler entwickelt: Fokus auf Zucht, Genetik und Online-Multiplayer
- Horse Life Simulator – Detaillierte Pflege, Training und realistisches Pferdeverhalten
- Tales of Rein Ravine & Fernhoof Grove – Cozy-Projekte mit kreativem Ansatz
Diese Spiele versprechen mehr Tiefe, mehr Realismus – und vor allem: eine neue Art, mit Pferden zu spielen. Doch sie kämpfen auch mit typischen Problemen: Budgetknappheit, lange Entwicklungszeiten, hoher Erwartungsdruck. Nicht jeder Hoffnungsträger wird zum Durchbruch. Aber jedes Projekt bringt das Genre ein Stück weiter.
Modding als Gamechanger
Pferdespiele sind selten perfekt. Zu oft fehlt der letzte Schliff, die gewünschte Tiefe oder einfach das richtige Zaumzeug. Genau hier übernimmt die Community – mit Mods, Custom Content und kreativen Workarounds. Modding ist nicht nur eine Spielerei. Es ist die treibende Kraft hinter vielen der besten Pferdespiel-Erlebnisse.
Red Dead Redemption 2: Pferdeliebe trotz Revolver
RDR2 ist ein Musterbeispiel dafür, wie Modding ein Spiel transformieren kann. Auf Plattformen wie Nexus Mods erschaffen Fans eigene Pferderassen, überarbeiten Texturen und verändern sogar das Reitverhalten. Wer möchte, kann das Spiel komplett auf „Pferde-Modus“ trimmen: Gewalt minimieren, Waffen entfernen, neue Outfits oder Reit-Animationen hinzufügen.
So entsteht aus einem Action-Adventure eine fast meditative Reitsimulation – ganz nach Geschmack.
Die Sims 4: Pferderanch und das Wunder des Custom Content
Kaum ein Spiel lebt so stark von seiner Modding-Community wie Die Sims 4. Und das gilt auch für die Pferde. Spieler:innen ergänzen realistischere Sättel, neue Stall-Objekte, detailreiche Fellmuster oder sogar neue Reitinteraktionen. Ganze Reitzentren werden aus Custom Content gebaut.
Für viele ist die „Vanilla-Version“ des Spiels nur der Anfang. Die wahre Tiefe entsteht durch Tausende von Stunden, die Fans in ihre Kreationen investieren – und kostenlos teilen.
The Ranch of Rivershine: Klein, aber modifizierbar
Auch kleine Spiele profitieren. Obwohl The Ranch of Rivershine von einer Solo-Entwicklerin stammt, hat sich eine aktive Modding-Szene gebildet – vor allem auf Discord und Nexus Mods. Die meisten Mods erweitern visuelle Aspekte oder verbessern die Lebensqualität, etwa durch automatische Sprunghilfen oder Pferde-Editoren.
Die Schattenseite: Wenn Modding verboten ist
Doch nicht überall ist Modding willkommen. Bei Star Stable Online etwa ist jegliche Modifikation verboten. Der Eingriff in Spieldateien führt zur permanenten Sperrung – und das schreckt viele ab. Auch Rival Stars Horse Racing bietet keine Modding-Schnittstelle und ist durch seine Mobile-Wurzeln relativ „geschlossen“.
Diese Grenzen bremsen nicht nur die Kreativität der Spieler, sondern auch die Weiterentwicklung des Spiels durch die Community.
Kritische Analyse & Ausblick
Die wiederkehrenden Schwächen des Genres
Trotz vieler Fortschritte kämpft das Genre mit grundlegenden Problemen. Die wichtigsten davon lassen sich auf drei Punkte verdichten:
1. Die „Girly Game“-Falle
Pferdespiele werden von Publishern noch immer häufig als simple Spiele für junge Mädchen abgestempelt. Das führt zu geringen Budgets, überzeichnet niedlicher Ästhetik und fehlender Komplexität. Die Realität? Die Community ist längst erwachsen, technisch versiert – und will ernst genommen werden.
2. Fehlende Tiefe im Gameplay
Viele Pferdespiele bieten Reiten, Pflege und ein paar Quests – und das war’s. Tiefergehende Mechaniken wie Genetik, realistische Krankheiten, komplexes Training oder Wirtschaftssysteme fehlen oft. Genau danach verlangt die Zielgruppe aber: nach einer Simulation, die mehr ist als nur Glanz und Galopp.
3. Fehleinschätzung der Zielgruppe
Die Vorstellung, dass Pferdespieler:innen nur „hübsche Pferde“ sehen wollen, greift zu kurz. Die Nachfrage nach Spielen wie Red Dead Redemption 2, Minecraft (mit Pferde-Mods) oder Management-Titeln wie Howrse zeigt: Es geht um Tiefe, um Freiheit – und um Selbstbestimmung.
Dass Spieler nach mehr Tiefe und reiferen Themen suchen, zeigt sich auch in anderen Genres. Games wie Gothic oder Kingdom Come Deliverance sprechen dieselbe Community an, die sich komplexe Systeme und glaubwürdige Welten wünscht. Unsere Empfehlungen für ähnliche Spiele wie Gothic zeigen, wie sich dieser Wunsch über viele Genres hinweg manifestiert.
Zwischen Hoffnung und Hype: Wohin führt der Weg?
Die gute Nachricht: Es tut sich was. Immer mehr Entwickler kommen direkt aus der Community, kennen ihre Zielgruppe und haben eigene Visionen. Beispiele wie Astride, Unbridled oder auch das kommende Windstorm: The Legend of Khiimori zeigen, dass ein neues Kapitel geschrieben wird – mit Fokus auf Realismus, Immersion und Innovation.
Doch die Szene ist nicht ohne Risiken. Immer wieder tauchen Projekte auf, die viel versprechen – und wenig liefern. Das bekannteste Beispiel: Horses 2025, ein fragwürdiger Titel, der mit KI-generierten Bildern, gestohlenen Assets und Marketing-Hype für Schlagzeilen sorgte. Das Vertrauen der Community wurde schwer beschädigt.
Diese Vorfälle zeigen: Die Zielgruppe ist kritisch. Und das ist gut so. Sie hat gelernt, Qualität einzufordern. Denn sie weiß, was sie will – und sie wartet nicht mehr still.
Empfehlungen für den perfekten Ritt
Die Frage nach dem „besten“ Pferdespiel ist so individuell wie der Reitstil selbst. Was für die einen ein Traum ist, fühlt sich für andere wie ein Zirkuspony an. Deshalb: Statt einen Sieger zu küren, empfehlen wir das perfekte Spiel – für deinen Spieltyp.
Für Realismus-Fans: Red Dead Redemption 2
Wer das realistischste Reitgefühl sucht, findet in Red Dead Redemption 2 den unangefochtenen Champion. Das Bonding-System, die Pferdephysik und die detailreichen Animationen sind bis heute unerreicht. Wer bereit ist, das Western-Setting samt Gewalt zu akzeptieren (oder es zu modden), erlebt hier die intensivste Verbindung zum Tier.
Für Management- und Zucht-Enthusiasten: Howrse & Rival Stars Horse Racing
Zahlen statt Zügel? Howrse bietet strategische Tiefe in der Zucht und Genetik – auch ohne 3D-Grafik. Wer es visuell ansprechender mag, findet in Rival Stars eine solide Mischung aus Management und Action, auch wenn die PC-Version etwas vernachlässigt wirkt.
Für kreative Gestalter: Die Sims 4: Pferderanch
Wer gerne baut, gestaltet und sein eigenes Ranch-Leben entwirft, wird mit Die Sims 4 glücklich – besonders mit Mods und Custom Content. Das Spiel wird dadurch zur nahezu unbegrenzten Sandbox für Pferde und Stilgefühl.
Für gemütliche Spieler:innen: The Ranch of Rivershine
Nach einem langen Tag noch entspannt über Wiesen reiten, Pferde zähmen, Fohlen aufziehen – Rivershine ist perfekt für alle, die ein Cozy-Erlebnis suchen, das ruhig, charmant und stetig belohnend ist.
Für Story-Fans und jüngere Reiter:innen: Ostwind & Horse Club Adventures
Wer eine Geschichte erleben möchte – klar strukturiert, zugänglich und altersgerecht – findet mit diesen beiden Serien gute Begleiter. Sie sind einfach gehalten, aber liebevoll gemacht.
Für Online-Abenteurer: Star Stable Online
Du suchst nach einer aktiven Community, wöchentlichen Updates und einer riesigen Welt? Dann ist Star Stable trotz seiner Schwächen immer noch die führende Adresse. Wichtig: Es richtet sich primär an eine jüngere Zielgruppe und setzt stark auf In-Game-Käufe.
Fazit: Warum das Genre erst am Anfang steht
Pferdespiele waren lange ein blinder Fleck der Spieleindustrie. Doch das hat sich geändert. Heute wird klar: Die Community ist nicht nur da – sie ist leidenschaftlich, kreativ und anspruchsvoll. Sie will mehr als pinke Ponys und Stallromantik. Sie will Tiefe, Vielfalt und Respekt.
Ob durch Modding, Indie-Engagement oder Community-getriebene Projekte – die Zukunft des Genres liegt nicht mehr in den Händen großer Publisher, sondern in denen der Spieler selbst. Und genau das macht Hoffnung.
Die besten Pferdespiele von morgen sind noch nicht veröffentlicht – vielleicht nicht mal angekündigt. Aber sie kommen. Weil eine Community bereit ist, sie zu tragen. Weil Entwickler zuhören. Und weil ein Genre, das so lange unterschätzt wurde, jetzt endlich ernst genommen wird.
Das Pferdespiel-Genre steckt nicht in der Krise. Es steht an der Startlinie.