Die 300-Euro-Frage: Traum vom Gaming-PC oder bittere Realität?
Für viele klingt es wie ein Widerspruch: Ein Gaming-PC für unter 300 Euro. Geht das überhaupt noch? Die Antwort lautet: Ja – aber nicht so, wie du vielleicht denkst.
Wenn du fabrikneue Komponenten erwartest, wird’s eng. Selbst die günstigsten DIY-Builds mit Neuware starten eher bei 600 Euro aufwärts. Dein Weg führt deshalb fast zwangsläufig über den Gebrauchtmarkt – oder über sogenannte refurbished Fertig-PCs. Beides kann funktionieren. Aber du musst wissen, was du tust.
Was bekommst du für 300 Euro wirklich?
Lass uns ehrlich sein: Mit diesem Budget baust du keinen PC, der in 4K mit Raytracing glänzt. Aber das ist auch gar nicht der Punkt. Was du bekommst, ist ein System, das aktuelle E-Sport-Titel wie Fortnite, CS2 oder Valorant flüssig in 1080p auf mittleren Einstellungen meistert. Auch Klassiker wie GTA V oder Skyrim laufen gut – mit ein paar Abstrichen.
Für aufwendige Titel wie Cyberpunk oder das kommende Doom: The Dark Ages heißt es: zurückdrehen. Und zwar die Grafikregler – nicht deine Ambitionen.
Wer besonders viel aus seinem Budget herausholen will, sollte die Unterschiede zwischen günstigen und leistungsstärkeren Setups verstehen – etwa im Vergleich zu einem Gaming-PC bis 600 Euro, bei dem moderne Komponenten und bessere Upgrade-Pfade möglich sind.
Drei Wege führen zum Ziel
Es gibt drei Grundpfade, um deinen 300-Euro-Traum Realität werden zu lassen:
- Der komplette Eigenbau aus gebrauchten Komponenten
Ideal für Bastler mit Zeit, Geduld und einem Händchen fürs Finden von Deals. - Der aufgerüstete Fertig-PC
Ein pragmatischer Weg – besonders, wenn du dir nicht zutraust, ein System komplett selbst zu bauen. - Der chinesische „Exotenweg“ mit Server-Hardware
Abenteuerlich, riskant – und nichts für Anfänger. Aber wir werfen trotzdem einen Blick drauf.
Der Marktplatz-Dschungel: Wo du suchen solltest
eBay & Kleinanzeigen – das große Spiel
Hier findest du die besten Deals. Aber du brauchst ein scharfes Auge, denn zwischen Goldstücken und Elektroschrott liegt oft nur ein unscharfes Produktfoto.
Refurbished-Händler – die sichere Bank
Plattformen wie ITSCO, GreenPanda oder Backmarket bieten aufbereitete Hardware mit Garantie. Etwas teurer, aber auch deutlich risikoärmer. Besonders gut für Komplett-PCs, die du dann gezielt aufrüsten kannst.
AliExpress – die Hardcore-Zone
Für Profis, die wissen, worauf sie sich einlassen: CPU-Mainboard-Kombis aus Server-Restbeständen für wenig Geld, aber mit langen Lieferzeiten, unsicherer Garantie und fragwürdiger Qualität.
Schutz vor Betrug: Die wichtigsten Warnzeichen
Egal wo du einkaufst – du musst vorbereitet sein. Hier sind die wichtigsten Red Flags:
- „Freunde und Familie“-Zahlungen via PayPal? Finger weg. Kein Käuferschutz.
- Externe „Sicher bezahlen“-Links? Fast immer Phishing.
- Keine Originalfotos? Mach lieber einen Rückzieher.
- Superschnäppchen, die zu gut klingen, um wahr zu sein? Sind es meistens auch.
Und ganz wichtig: Kauf kein Netzteil gebraucht. Punkt. Darauf kommen wir gleich noch.
Was du gebraucht kaufen kannst – und was lieber nicht
Sicher:
- CPUs: Robust und langlebig.
- RAM: Solide, schnell testbar.
Vorsicht:
- Mainboards: Steckkontakte und Spannungswandler können versteckte Probleme haben.
- GPUs: Vor allem Mining-Karten sind mit Vorsicht zu genießen.
- SSDs: Auf S.M.A.R.T.-Werte achten – der Gesundheitsstatus ist dein Kompass.
Finger weg:
- Billig-Netzteile: Ein No-Name-Modell kann dir den ganzen PC zerschießen. Investiere hier unbedingt in Neuware einer vertrauenswürdigen Marke.
Der Eigenbau: Maximale Leistung, maximale Verantwortung
Wer den kompletten PC selbst aus Einzelteilen zusammensetzt, bekommt am meisten für sein Geld – vorausgesetzt, du triffst die richtigen Entscheidungen. Zwei Builds haben sich besonders bewährt:
Build 1: Der „Haswell-Held“
- Intel Core i7-4790 + H81/B85-Mainboard
- 16 GB DDR3 RAM
- AMD Radeon RX 580 8GB
- 500 GB SSD, neues Netzteil, gebrauchtes Gehäuse
Kostenpunkt: ca. 260 Euro
Performance: Sehr solide in 1080p, besonders für ältere AAA-Titel und Esports.
Build 2: Der „Ryzen-Rebell“
- Ryzen 5 2600 + B450-Mainboard
- 16 GB DDR4 RAM
- AMD Radeon RX 580 8GB
- 500 GB SSD, neues Netzteil, gebrauchtes Gehäuse
Kostenpunkt: ca. 295 Euro
Zukunftssicherer dank Upgrade-Möglichkeiten (z. B. später auf Ryzen 7 5800X3D).
Sonderfall: Der „Xeon-Xenomorph“
Ein Bundle aus AliExpress, meist mit 10–12-Kern-Xeons und X99-Mainboards.
Lohnt sich nur, wenn du tief im Thema steckst und die Risiken bewusst einkalkulierst: schwache Single-Core-Leistung, unklarer Support, dubiose Boards. Nicht empfohlen für Einsteiger.
Die Basis: Auswahl des richtigen Büro-PCs
Wenn du dich für den Weg des aufgerüsteten Fertig-PCs entscheidest, ist eines entscheidend: die Wahl der richtigen Basis.
Nicht jeder Büro-PC eignet sich als Gaming-Unterbau – manche sind wahre Wundertüten, andere dagegen Frustfallen im Blechkleid.
Die gängigsten Modelle stammen von:
- Dell – z. B. OptiPlex 5040, 7020, 7040
- HP – z. B. EliteDesk 800 G2
- Fujitsu – z. B. Esprimo P920
Aber: Formfaktor ist alles.
SFF (Small Form Factor) – das Upgrade-Labyrinth
- Kompakt und günstig, aber oft mit maßgeschneiderten Netzteilen, minimalem Platzangebot und nur Low-Profile-GPU-kompatibel.
- Das bedeutet: Du kannst nur Grafikkarten einbauen, die nicht mehr als 75 W ziehen und keinen zusätzlichen Stromanschluss brauchen.
- Beste Option: GTX 1650 Low Profile mit GDDR6 – sie bietet solide Leistung und läuft auch mit kleinen Netzteilen.
MT (Mini Tower) – der bessere Unterbau
- Größer, flexibler und oft mit (oder aufrüstbarem) Standard-ATX-Netzteil.
- Hier passt eine vollwertige RX 580, GTX 1060 oder sogar mehr – je nach Netzteil.
- Der Haken: MT-Gehäuse sind seltener und kosten oft 20–40 Euro mehr als ihre kompakten Kollegen.
Die Kunst der Aufrüstung: So gelingt der Umbau
Beim Eigenbau steckst du alles neu zusammen. Beim Fertig-PC arbeitest du mit dem, was du bekommst – und kämpfst gegen Eigenheiten des Herstellers.
Das GPU-Problem im SFF-Gehäuse
- Du kannst keine großen Grafikkarten einbauen – weder wegen Platz noch Stromversorgung.
- Deshalb bleibt dir nur eine Handvoll Modelle: GTX 1650 Low Profile, eventuell noch GT 1030 (nur bedingt empfehlenswert).
Netzteil-Wechsel – ein Drahtseilakt
- Viele SFF-PCs haben proprietäre Anschlüsse (z. B. 16-Pin statt 24-Pin ATX).
- Selbst wenn du ein Netzteil tauschen willst, brauchst du passende Adapter – und die sind nicht immer sicher.
- Im schlimmsten Fall riskierst du Überspannungen und Hardwareschäden.
Beispiel: HP EliteDesk 800 G2 Mini Tower
- Mit Intel Core i5-6500, 8 GB RAM und Platz für eine RX 580.
- Netzteiltausch möglich – mit Adapter.
- Sehr guter Kompromiss aus Preis, Leistung und Erweiterbarkeit.
Zwei realistische Szenarien für aufgerüstete Büro-PCs
Szenario 1: Der „Büro-Sprinter“ (SFF)
- Basis-PC: Dell OptiPlex 5040 SFF mit i5-6500, 8 GB RAM – ca. 120 €
- GPU: GTX 1650 Low Profile – ca. 110 €
- RAM-Upgrade: auf 16 GB DDR3L – ca. 20 €
Gesamt: ca. 250 €
Performance: gut für Esports, solide in älteren AAA-Spielen
Szenario 2: Der „Tower of Power“ (MT)
- Basis-PC: HP EliteDesk 800 G2 MT mit i5-6500, 8 GB RAM – ca. 140 €
- GPU: RX 580 – ca. 65 €
- RAM-Upgrade: auf 16 GB DDR4 – ca. 20 €
- Netzteiltausch: Marken-PSU + Adapter – ca. 65 €
Gesamt: ca. 290 €
Performance: fast auf Niveau der Eigenbau-Varianten
Leistung: Wie viel FPS sind wirklich drin?
Spiel | Büro-Sprinter (SFF) | Haswell-Held | Ryzen-Rebell |
Fortnite (Performance) | ~120 FPS | ~140+ FPS | ~140+ FPS |
CS2 (Low Settings) | ~150 FPS | ~200+ FPS | ~220+ FPS |
GTA V (High Settings) | ~60–70 FPS | ~80–90 FPS | ~90–100 FPS |
RDR 2 (Low/Medium) | ~40–50 FPS | ~50–60 FPS | ~55–65 FPS |
Cyberpunk 2077 (Low) | ~35–45 FPS | ~45–55 FPS | ~50–60 FPS |
Die Eigenbau-Systeme – besonders mit RX 580 – liefern mehr Leistung pro Euro. Aber sie erfordern mehr Know-how und Zeit.
Eigenbau vs. Fertig-PC: Was zählt wirklich?
Faktor | Büro-Sprinter (SFF) | Tower of Power (MT) | Haswell-Held | Ryzen-Rebell |
Kosten | ~250 € | ~290 € | ~260 € | ~295 € |
Gaming-Performance | 2/5 | 3/5 | 4/5 | 4/5 |
Aufwand | 1/5 | 3/5 | 4/5 | 4/5 |
Risiko | 2/5 | 3/5 | 4/5 | 4/5 |
Zukunftsfähigkeit | 1/5 | 2/5 | 1/5 | 4/5 |
Der „Ryzen-Rebell“ punktet mit Upgrade-Potenzial. Der „Haswell-Held“ ist der Budget-König. Der „Tower of Power“ ist ein guter Kompromiss. Der „Büro-Sprinter“ ist der Weg des geringsten Widerstands.
Beim Vergleich fällt auf: Eigenbau schlägt Fertig-PC meist in der Gesamtleistung. Wer aber Wert auf sofortige Nutzbarkeit legt, findet im 500-Euro-Fertig-PC eine brauchbare Alternative mit weniger Risiko und Aufwand.
Persönliche Empfehlungen: Welcher Weg passt zu dir?
- Technikmuffel mit wenig Zeit?
→ Der „Büro-Sprinter“. Schnell, einfach, risikoarm. - Ambitionierter Bastler mit Budget-Fokus?
→ „Haswell-Held“ oder noch besser: der „Ryzen-Rebell“. - Zwischenlösung mit weniger Frustpotenzial?
→ Der „Tower of Power“. Solide Basis, gute Leistung – aber etwas mehr Aufwand. - Risiko-Liebhaber mit viel Erfahrung?
→ Der „Xeon-Xenomorph“. Aber bitte: Nur, wenn du weißt, was du tust.
Nicht jeder will oder kann einen Rechner selbst bauen. Für manche lohnt sich ein vorkonfigurierter Streaming-PC, bei dem Hardware und Software aufeinander abgestimmt sind – besonders bei Video- oder Livestreaming-Ambitionen.
Vier goldene Regeln für deinen 300-Euro-Gaming-PC
- Geduld schlägt Panik-Käufe
Guter Deal kommt zu dem, der wartet. Spontankäufe sind oft teurer als du denkst. - Vertraue, aber prüfe
Lies Bewertungen, analysiere Verkäufer, fordere Screenshots und Originalfotos. - Spare nie am Netzteil
Ein Billig-PSU kann deine ganze Mühe in Rauch auflösen. Buchstäblich. - Freu dich über das, was geht – nicht über das, was fehlt
Du baust keinen 2000-Euro-Rechner. Aber du baust etwas, das Spaß macht – und das zählt.